Der altehrwürdige Stanglwirt weiß viel zu erzählen und beherbergt, verköstigt und unterhält seine Gäste seit über vier Jahrhunderten...
Mehr Informationen1539 - 1946
1539-1564: Der Silber- und Kupferrausch am Röhrerbühel
Die Geschichte des Stanglwirts beginnt im 16. Jahrhundert. Ein Silber- und Kupferrausch erfasst die Region und von einem Tag auf den anderen strömen plötzlich viele Abenteurer in die Gegend. Das damals noch kleine Städtchen Kitzbühel platzt bald aus allen Nähten, sodass die Obrigkeit – als größter Landbesitzer – den Bergleuten Grundstücke zuweist. Einer dieser Bergleute ist Wolfgang Widmer, der ein Grundstück auf der Prama bekommt, einer Gegend die nach den dort wild wuchernden Brombeersträuchern benannt ist.
Widmer hat Glück. Sein Grundstück liegt sehr verkehrsgünstig an der Straßenkreuzung Richtung St. Johann, dem Inntal und der Mine beim Röhrerbühel und verfügt auch über frisches Quellwasser. Ideale Voraussetzungen also für eine Schenke. Doch noch war es nicht so weit.
1564-1567: Aus der Not geboren: Der Beginn des „Wirts auf der Prama“
Im Sommer 1564 wird die Region von der Pest erfasst, der allein in Kitzbühel geschätzte 500 Menschen zum Opfer fallen. Die Kitzbüheler Obrigkeit ersucht Widmer sein Haus für Gäste zu öffnen, denn Wein gilt zu jener Zeit als Arznei und durch die Errichtung einer Schenke sollen die Bergknappen „immunisiert“ werden. Das „Wirtshaus auf der Prama“ ist geboren.
1567-1584: Die erste Hofübergabe
1567 bekommt der Wirt auf der Prama die Schanklizenz für Wein erteilt und darf dazu auch kleine Happen reichen. Nicht zuletzt deshalb und durch die günstige Lage erfreut sich die Schenke nun auch bei den Knappen größter Beliebtheit, die – am Heimweg von den Minen – gerne bei Widmer einkehren.
21 Jahre nach der Gründung des Wirtshauses auf der Prama stirbt Wolfgang Widmer 1584 und das Anwesen geht auf Martin Schaumberger über, den Mann von Widmers’ Ziehtochter.
1588-1609: Erste Hürden
Martin Schaumberger einigt sich 1588 mit der Kitzbüheler Obrigkeit darauf, neben Begräbnissen, Taufen und Eheschließungen auch Hochzeitsmähler veranstalten zu dürfen und baut den Gastbetrieb aus. Das stößt den Wirten in St. Johann und Kitzbühel sauer auf und sie machen gegen den unliebsamen Konkurrenten aus Going mobil.
Nach zahllosen Beschwerden fällt Raimund Freiherr von Lamberg als Mitinhaber der Herrschaft Kitzbühel schließlich ein Urteil und gestattet Schaumberger nur mehr „Gastungen zu Totenmählern“ sofern die Betrauerten in Going begraben werden. Dazu werden alle Veranstaltungen auf maximal zwei Tische zu je zehn bis zwölf Personen beschränkt. Erst am 2. April 1609 erhält das Wirtshaus auf der Prama offiziell die „Wirtsgerechtigkeit“ erteilt.
1618-1643: Die große Wirtsgerechtigkeit und die große Ungerechtigkeit
Ende Oktober 1618 erteilt die Regierung Schaumberger die „große Wirtsgerechtigkeit“, welche die Abhaltung sämtlicher „Gastungen“ umfasst. Der Beschluss wird aber weder umgesetzt noch ein Privileg ausgestellt. Der Grundstein für viele spätere Streitigkeiten.
Ab 1630 gehen die goldenen Jahre des Bergbaus ihrem Ende zu und Schaumberger sucht einen Pächter für seine Gastwirtschaft. 1642 verkauft er das Wirtshaus auf der Prama an seinen Enkel Hans Stangl, der dem Wirtshaus 1643 seinen noch heute bekannten Namen gibt.
1643-1699: Der erste Stanglwirt
Wegen der weiterhin nicht umgesetzten offiziellen Lizenz flammt der Streit mit dem Goinger Dorfwirt erneut auf und Hans Stangl muss sich bis zu seinem Tod im Jahre 1676 gegen seine missgönnerischen Kollegen zur Wehr setzen. Nichts desto trotz erfreut sich der Stanglwirt größter Beliebtheit und wird zum Treffpunkt für Knappen, Bauern und einer Heerschar an Kleingewerbetreibenden und deren Fuhrwerke.
1700-1714: Zeit des Handelns
Die Wende zum 18. Jahrhundert ist vom Merkantilismus geprägt, einer Vorstufe des Kapitalismus. Der Handel blüht und die Straßen werden ausgebaut, um Salz, Erze, Wein und Metalle zu transportieren. Christian Stangl, der das Wirtshaus von seinem Vater Hans übernahm, weiß die neue Zeit zu nutzen. Als die Landsherren die Gastwirte auffordern dem zunehmenden Fuhrwerksverkehr Unterschlupf zu bieten, baut er neben dem Gasthof eine Wagenhütte, sodass die Fuhrleute beim Stanglwirt übernachten können. Dadurch wird das Wirthaus auf der Prama mehr als 100 Jahre nach seiner Gründung mit allen notwendigen Lizenzen ausgestattet.
1714: Die Schlechter-Dynastie beginnt
Mit der Übernahme des Stanglwirts durch Sebastian Schlechter 1714 beginnt eine goldene Ära. Schlechter erweist sich als genialer Geschäftsmann und bringt es durch den Handel mit Salz und anderen Gütern zu ansehnlichem Reichtum. 1720 baut er den Gasthof Stangl.
Sein Sohn Sebastian II. führt den Weg seines Vaters 1753 erfolgreich fort und macht den Stanglwirt zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt für den Handel mit Käse, Salz, Wein und Eisen. Viele Verwandte des Stanglwirts erwerben Eigentum in Ellmau und St. Johann und beginnen Gaststätten in der Region zu betreiben.
1796-1809: Der Tiroler Freiheitskampf beim Stanglwirt
Mit der Besetzung durch Napoleons Truppen und dem Tiroler Freiheitskampf geht die goldene Zeit des Stanglwirts jäh zu Ende. Sebastian III. muss mitansehen, wie die bayrischen und französischen Truppen von St. Johann aus eine Spur der Verwüstung bis nach Ellmau ziehen. Auch der Stanglwirt ist hart umkämpft, stellt aber mit Hauptmann Josef Schlechter, einem Sohn des Stanglwirts, einen bedeutenden Anführer im Tiroler Freiheitskampf.
1889: Die erste Stanglwirtin
Im Jahre 1889 beginnt mit Maria „Marie“ Schlechter (geb. Hauser) ein neues Zeitalter im Stanglwirt. Maries Familie besitzt eine Schnapsbrennerei, das große Wirtshaus in Luech in Kirchbichl und den Schnablwirt in Going, welchen Marie nach Anweisung ihres Vaters Josef Hauser führen soll. Da sich der von ihr geführte Schnablwirt schnell zu einem ernstzunehmenden Mitbewerber entwickelt, macht der Stanglwirt-Besitzer Balthasar Schlechter seine junge Konkurrentin 1889 zu seiner Ehefrau. Ein weiser Entschluss.
Schwere Zeiten
Die 1875 fertiggestellte Eisenbahnverbindung durch das Brixental bringt dem Stanglwirt erhebliche Einbußen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreicht der Stanglhof seinen wirtschaftlichen Tiefpunkt und es müssen mehrere Felder und auch die Stanglalm auf dem Kitzbüheler Horn verkauft werden. Die junge Stanglwirtin Marie sorgt aber mit viel Geschäftssinn dafür, dass der Stanglwirt der Flaute trotzt und sich zu einer beliebten Einkehrstätte entwickelt.
Ebenso erkennt Marie schon früh die Chancen des Fremdenverkehrs und lässt bereits in den 1880er-Jahren eine Postkarte mit der Ansicht des Wirtshauses drucken.
1912-1944: Die Stanglwirtin übernimmt
So erfolgreich Marie Schlechter im Geschäftsleben ist, so unglücklich verläuft ihr Privatleben mit ihrem schwierigen Mann Balthasar. Schließlich wird es ihr zu bunt. Sie verlässt ihn und kehrt erst zurück, als er sie zur Mitbesitzerin macht. Als Balthasar Schlechter 1912 stirbt, führt Marie den Gasthof weiter und beweist als tüchtige Gastronomin und treffliche Bäuerin auch ein außerordentlich glückliches Händchen im Vieh- und Holzhandel. Mehr als ein halbes Jahrhundert lenkt diese bemerkenswerte Frau die Geschicke des Gasthofs und macht den Stanglwirt durch ihre lebensfrohe Art im ganzen Land bekannt.
Eine verheerende Brandkatastrophe
Bei der Errichtung des Gasthofs Stangl wurde 1722 ein Feuerteich vor dem Hof angelegt, der sich am 7. Juli 1930 als wahrer Glücksfall entpuppt. Um die Mittagszeit bricht im Nebengebäude des komplett aus Holz gebauten Haupthauses ein Brand aus, dessen Flammen schon im Begriff sind auf den Gasthof überzugreifen. Durch vereinte Kräfte kann die gefährliche Situation gerade noch gemeistert werden.
Die wohltätige Spenderin
Schon Sebastian Schlechter III. (1763-1826) war als Wohltäter bekannt und spendete die große Kirchenorgel in Going. Auch Marie Schlechter war das Allgemeinwohl ein wichtiges Anliegen. Sie stiftet 1935 ein Glasfenster der Goinger Pfarrkirche und organisiert bereits erste Sängertreffen im Stanglwirt. Die sympathische Stanglwirtin spielt Gitarre und singt für ihr Leben gern, was den Stanglwirt zu einem Ort der Geselligkeit macht, den auch große Herren wie der Barone Rothschild oder der Barone Sachs regelmäßig besuchen. Auch der Wilde Kaiser hat für sie größte Bedeutung und lässt Marie zu einer Art Schutzpatronin für alle Bergsteiger werden.
1944-1946: Die Nachfolgerin
Mit 80 Jahren schaut sich die kinderlose Marie Schlechter nach einer würdigen Nachfolgerin um und findet in Anna Seibl, ihrer Großnichte mütterlicherseits, die ideale Kandidatin. Marie adoptiert die fleißige Anna auf ihren Mädchennamen Hauser und übergibt ihr schließlich 1944 den gesamten Besitz mit dem Wunsch, den Namen Hauser auch für zukünftige Generationen zu wahren.
Am 15. Dezember 1946 stirbt Maria „Marie“ Schlechter und findet im Familiengrab am Friedhof der Pfarrkirche „Zum heiligen Kreuz“ in Going ihre letzte Ruhestätte. Sie hat maßgeblichen Anteil daran, dass sich der Stanglwirt zu einem internationalen Luxusresort entwickeln konnte.